Mythos der Reiterfitness: Warum der ‚Core‘ mehr ist als ein Sixpack
- pferdewelten
- 6. Jan.
- 3 Min. Lesezeit
Ein starker „Core“ ist das Schlagwort für bessere Balance im Sattel – doch die wahre Bedeutung geht weit über Bauchmuskeln hinaus. Ein Blick hinter die Kulissen.

„Dein Core muss stärker werden!“ – Ein Satz, der in Reitarenen weltweit zu hören ist, egal ob es um das Sitzen im Trab oder saubere fliegende Wechsel geht. Doch was genau bedeutet „Core“ – oder auf Deutsch die Mitte bzw. Körpermitte des Reiters? Laut der britischen Sporttherapeutin Debbie Rolmanis greift die gängige Vorstellung oft zu kurz.
Der Gedanke, dass eine für das Reiten optimale Core-Spannung gleichbedeutend mit einem Sixpack ist, ist aus ihrer Sicht ein Missverständnis, das dem biomechanischen Zusammenspiel im Körper nicht gerecht wird.
Was ist der Core wirklich?
Der „Core“ ist nicht nur ein Synonym für die Bauchmuskeln, sondern ein umfassendes System von mehr als 30 Muskeln, die alle an der Beckenstruktur befestigt sind.
Dieses biomechanische Kraftwerk bildet die Basis für alle Bewegungen im Sattel, indem es die Kräfte des Pferdes aufnimmt und ausgleicht. Von den tiefen Rückenmuskeln bis hin zu den seitlichen Rumpfmuskeln – jede Muskelgruppe spielt eine Rolle.
Warum der Rücken der Chef ist
Die hintere Muskelkette – bestehend aus unterem Rücken, Gesäßmuskeln und hinteren Oberschenkelmuskeln – ist der eigentliche Motor der Körperstabilität. Doch modernes „Sitzleben“ hat diese Kette geschwächt. Stundenlanges Sitzen verkürzt die Hüftbeuger, schwächt die Rückenmuskulatur und zwingt den Körper in eine zusammengefallene Haltung, die einem Reiter im Sattel Probleme bereitet.
Die Folge: Der untere Rücken, der normalerweise die Führung übernimmt und die Bauchmuskeln korrekt aktiviert, verliert an Stabilität. Ohne dieses „Orchester der Muskeln“ wird Balance im Sattel fast unmöglich.
Crunches? Nicht so schnell!
Der Klassiker im Fitnessstudio – Bauchmuskeltraining durch Crunches – greift zu kurz. „Wenn der untere Rücken schwach ist, bleibt das Training der Bauchmuskeln wirkungslos“, erklärt Rolmanis. Statt den Core als Team zu stärken, wird lediglich der Abstand zwischen Wirbeln im unteren Rücken verringert, was langfristig zu Schmerzen führt.
Die Lösung? Ein Trainingsansatz, der den gesamten Core stärkt, mit Fokus auf die Rückenmuskulatur.
Die Rolle der Hüften: Mobilität für Eleganz
Die Hüften, als Schnittstelle zwischen Ober- und Unterkörper, spielen eine zentrale Rolle für Reiter. Um eine elegante, lange Beinposition zu erreichen, müssen die Hüften externe Rotation und Streckung ermöglichen. Doch genau hier zeigt sich der Einfluss unserer Lebensweise: Sitzende Tätigkeiten schwächen die Gesäßmuskeln und schränken die Beweglichkeit der Hüften ein.
Ein unbewegliches Becken erschwert die Balance und beeinflusst die Position der Beine sowie die gesamte Haltung im Sattel negativ. „Reiter wünschen sich oft, sie könnten ihre Hüften austauschen,“ scherzt Rolmanis, doch die Lösung liegt in gezieltem Training.
Wie ein starker Core Balance schafft
Ein „kompletter Core“ arbeitet wie ein perfekt abgestimmtes Team: Die Rückenmuskeln stabilisieren die Wirbelsäule, während die Bauchmuskeln sich je nach Bedarf aktivieren. Gleichzeitig ermöglichen kräftige Hüftmuskeln eine optimale Beinposition und ein bewegliches Becken.
Dieses Zusammenspiel macht den Unterschied zwischen einer wackeligen Haltung und einem unabhängigen Sitz. Zielgerichtetes Training, das alle Core-Muskeln umfasst, ist daher essenziell für Reiter.
Fazit: Mehr als ein Sixpack
Ein starker Core bedeutet nicht, sich auf Bauchmuskeln zu konzentrieren, sondern den gesamten Körper in Balance zu bringen. Vom Rücken bis zu den Hüften, von der Stabilität bis zur Mobilität – nur wer den Core als umfassendes System versteht, kann im Sattel wirklich überzeugen. Die gute Nachricht: Mit den richtigen Übungen lässt sich dieses Orchester der Muskeln wieder in Einklang bringen.
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