Allein auf die Weide? Warum dieser Irrtum vielen Pferden schadet
- pferdewelten
- 19. Juni
- 2 Min. Lesezeit
„Einzelhaft“ auf der Koppel: Aus Angst vor Verletzungen isolieren viele Halter ihre Pferde – doch Fachleute warnen: Soziale Isolation gefährdet Gesundheit und Wohlbefinden der Tiere.

Immer mehr Pferdehalter entscheiden sich, ihre Tiere allein auf die Weide zu stellen. Die Sorge: Tritte, Bisse, Rangkämpfe – kurz: das Risiko, dass ihr Pferd in einer Gruppe verletzt wird. Doch dieser gut gemeinte Schutz kann zum echten Problem werden. Denn: Pferde sind Herdentiere – und soziale Isolation kann langfristig körperliche und seelische Schäden verursachen.
Eine europaweite Umfrage im Auftrag der Agria Tierversicherung zeigt: Zwar ist die Mehrheit der Pferde in Gruppenhaltung integriert – doch eine nicht unerhebliche Zahl wird bewusst separiert, um mögliche Verletzungen zu vermeiden.
„Das Verletzungsrisiko wird überschätzt“
Dr. med. vet. Tatjana Breiltgens, Tierärztin bei Agria, kennt diese Ängste – hält sie aber in vielen Fällen für unbegründet, wie sie pferderevue.at gegenüber erklärt:
„Das Risiko von schweren Verletzungen bei gut organisierter Gruppenhaltung ist sehr gering. Dafür profitieren die Pferde enorm von der Bewegung, dem Sozialkontakt und der psychischen Stabilität.“
Tatsächlich zeigen Studien: Die meisten Verletzungen auf der Weide sind oberflächlich und gut behandelbar. Schwere Zwischenfälle sind die Ausnahme – nicht die Regel.
Pferdefreundschaft statt Einzelhaft: Bewegung, Bindung, Balance
Ein weiterer Mythos hält sich hartnäckig: Einzelhaltung fördere die Leistungsfähigkeit im Training. Auch das ist laut Breiltgens ein Trugschluss: „Pferde, die gemeinsam auf der Weide stehen, bewegen sich oft mehr und bauen so kontinuierlich Muskulatur und Ausdauer auf. Zudem profitieren sie mental von der Gesellschaft.“
Konflikte innerhalb der Herde sind möglich – besonders, wenn Tiere übereilt zusammengeführt werden. Deshalb empfiehlt die Expertin ein langsames, geplantes Vorgehen: „Pferde sollten sich langsam aneinander gewöhnen dürfen – etwa durch gemeinsame Spaziergänge, nebeneinanderliegende Boxen oder angrenzende Weiden.“
Was Halter tun können – und was sie lieber lassen sollten
Auch Stallbetreiber und Halter tragen Verantwortung: Ausreichend Platz, kluge Gruppenzusammenstellung, genügend Futterstellen – all das reduziert Stress und fördert friedliches Miteinander.
Problemtiere mit schlechtem Sozialverhalten? Eine Herausforderung, aber kein Grund zur Isolation: „Auch hier lassen sich oft Lösungen finden“, sagt Dr. Breiltgens.
Soziale Isolation: Mehr als ein Tierwohlproblem
Die Tierärztin bringt es auf den Punkt: „Jedes Tier, das unter Einsamkeit leidet, ist eines zu viel.“ Während Einzelboxen in Kombination mit täglichem Weidegang nicht grundsätzlich tierschutzwidrig sind, dürfen sie kein Dauerzustand sein.
Denn Pferde brauchen mehr als Heu, Bewegung und Training – sie brauchen Gesellschaft. „Sozialkontakt ist kein Luxus, sondern Ausdruck verantwortungsvoller Tierhaltung“, so Breiltgens.
Die wahre Gefahr liegt nicht in der Herde
Wer sein Pferd aus Angst isoliert, handelt oft aus Sorge – aber gegen die Natur des Tieres. Die moderne Pferdehaltung muss Lösungen bieten, die Sicherheit und Sozialkontakt vereinen. Denn echte Fürsorge bedeutet: Verletzungen verhindern – aber nicht Freundschaften.






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