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Wenn gutes Reiten zur Qual wird: Neue Erkenntnisse überraschen Reitwelt

Was, wenn das gängige Reiten Pferden dauerhaft schadet? Ein Expertengipfel der FN stellt alte Trainingsmethoden in Frage – mit brisanten Ergebnissen.

Teilnehmer des FN-Expertentreffs
(Quelle: @E. Borg / fnpress)

Warendorf, ein Ort mit Pferdetradition – doch an diesem Tag war nichts wie gewohnt. Denn Wissenschaftler, Tierärzte und Reitsportexperten trafen sich hier nicht, um Medaillen zu feiern, sondern um unbequeme Fragen zu stellen: Reiten wir unsere Pferde krank?


Die Diskussion über die Kopf-Hals-Position im Reitsport könnte zu einem Wendepunkt werden – für Reiter, Trainer, Richter und vor allem: für die Pferde selbst.


Hinter der Senkrechten – nur ein Moment oder ein Warnsignal?


Der Anlass: Eine neue Metaanalyse, die zeigt, was beim Reiten „hinter der Senkrechten“ im Pferdekörper geschieht. Die Nase zu tief, der Hals zu eng – das sieht man häufig auf Turnierplätzen. Doch was viele nicht wissen: Dadurch kann der Kehlkopfbereich verengt und die Atmung beeinträchtigt werden. Eine schlechte Haltung wird schnell zur Gesundheitsgefahr.


Und das Problem ist größer, als viele glauben: Immer wieder wird diese Haltung nicht nur toleriert, sondern sogar gezielt gefördert.


Keine Pauschalurteile – aber klare Grenzen


Die Expertengruppe betonte: Es geht nicht um Verbote, sondern um Differenzierung. Wenn ein Pferd kurzfristig in eine ungünstige Haltung gerät – etwa in der Lösungsphase oder bei jungen Pferden – ist das nicht automatisch tierschutzrelevant.


Doch wenn diese Haltung durch dauerhaften Zügeldruck oder falsches Training entsteht, schlägt die Fachwelt Alarm. „Pferdewohl darf nie ein Nebenschauplatz sein – es ist das Fundament jeder reiterlichen Ausbildung.“


Reiten mit Gefühl – statt mit Kraft


Die zentrale Botschaft des Treffens: Pferdegerechtes Reiten beginnt im Kopf – des Reiters. Es geht darum, das Pferd feinfühlig auszubilden, ihm Zeit zu geben und seinen Körper zu verstehen.


Statt von Anfang an auf Anlehnung zu bestehen, sollte das Pferd die Verbindung zur Reiterhand selbst suchen können. Die Haltung allein reicht nicht – das ganze Pferd muss betrachtet werden.


Konfliktsignale erkennen


Ein weiterer Appell: Reiter, Trainer und Richter müssen besser geschult werden, sogenannte Konfliktverhalten zu erkennen – also subtile Zeichen des Unwohlseins wie Schweifschlagen, Zähneknirschen oder vermehrtes Gähnen.


Denn Pferde leiden oft still. Und nur wer genau hinsieht, erkennt frühzeitig, dass etwas nicht stimmt.


Individuelle Lösungen statt Standardprogramme


Jedes Pferd ist anders – und das muss auch im Training berücksichtigt werden. Ob jung, alt, mit tiefem Halsansatz oder empfindlichem Rücken: Die Ausbildung sollte stets am Individuum ausgerichtet sein, betonten die Wissenschaftler.


Ein Dogma war jedoch unumstritten: Längeres Reiten hinter der Senkrechten ist immer eine Belastung für das Tier – und darf kein Trainingsziel sein.


Nächster Schritt: Dressur und Springen


Bislang wurden nur Pferde aus dem Vielseitigkeitssport bewertet. Doch die Diskussion soll nicht dort enden. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) plant, auch Dressur- und Springpferde in künftige Analysen einzubeziehen.


Ziel ist eine umfassende Bewertung gängiger Reitpraktiken – und eine mögliche Neuausrichtung im Sinne des Tierwohls.


Was bleibt nach diesem Treffen in Warendorf? Kein lautes Verbot. Keine schnellen Schlagzeilen. Aber ein Impuls – und der dringende Appell, Verantwortung zu übernehmen. Für ein Reiten, das nicht nur erfolgreich, sondern auch fair ist. Für Pferde, die nicht nur funktionieren müssen, sondern gesund bleiben dürfen.


Denn gutes Reiten beginnt da, wo echtes Verständnis für das Lebewesen Pferd anfängt.

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