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Dressursport: Blinde Reiterin (63) triumphiert bei Grand Prix und macht Unmögliches möglich

Von Selbstmordgedanken zur Europa-Meisterschaft: Nicola Naylors Geschichte ist eine echte Inspiration – nicht nur für Pferdemenschen.


Nicola Naylor mit Pferd
(Quelle: @Tilly Berendt Media / horseandhound.co.uk)

Sie kann ihre Pferde nicht sehen, doch sie reitet Grand Prix. Sie kennt keine Spiegel im Training, trotzdem beherrscht sie die schwierigsten Lektionen des Dressursports. Nicola Naylor bricht alle Regeln – und schreibt damit Sportgeschichte.


Es begann mit einer Katastrophe, die ihr Leben für immer veränderte. Mit 18 Jahren verlor Nicola Naylor im dritten Studienjahr das letzte bisschen Sehkraft, das ihr geblieben war. Die junge Frau, die bereits als Kind mit eingeschränktem Sehvermögen auf Ponys gesprungen war, sah plötzlich schwarz – im wahrsten Sinne des Wortes.


Der Absturz ins Nichts


"Ich war suizidal", gesteht sie heute offen. "Ich konnte keinen Sinn in irgendetwas sehen." Der Traum von einer Reiterkarriere schien für immer begraben. Pferde? Unmöglich. Zukunft? Unvorstellbar. Doch das Schicksal hatte andere Pläne.


Jahre vergingen. Nicola sortierte ihr Leben, fand einen Job fernab der Pferdewelt und dachte nie wieder ans Reiten. Bis ihre Tochter Reitstunden nehmen wollte. Was als simple Begleitung begann, wurde zur Wiedergeburt einer vergessenen Leidenschaft.


Der Neuanfang: Als die Tochter zum Retter wurde


"Das war der Funke", erinnert sich Nicola. Es war der Trainer ihrer Tochter, der die entscheidende Frage stellte: "Warum steigst du nicht wieder auf?" Nach einer schweren Rücken-OP hatte sie nie gedacht, wieder reiten zu können. Doch sie tat es – und das Gefühl war überwältigend.


Mit 48 Jahren saß Nicola zum ersten Mal auf einem Dressurpferd. Sie kannte weder die Regeln noch die Bewegungen. Doch sie hatte ein Ziel: "Ich wollte immer das Beste sein, was ich sein konnte."


Nicola Naylor und Humberto
(Quelle: @Tilly Berendt Media / horseandhound.co.uk)

Was folgte, ist eine Geschichte, die selbst Hollywood-Autoren für zu unglaubwürdig halten würden. 15 Jahre harter Arbeit, endlose Stunden im Sattel, unzählige Rückschläge – und dann der Triumph: Mit 63 Jahren ritt Nicola Naylor ihren ersten Grand Prix und erzielte über 62 Prozent.


"Ich war völlig schockiert", gesteht sie. Doch statt zu feiern, dachte sie nur: "Fantastisch – jetzt muss ich es noch besser machen!"


Wenn Gefühl über Sehen siegt


Wie reitet man Grand Prix, ohne je eine Piaffe oder Passage gesehen zu haben? Wie findet man die Mittellinie, wenn man sie nicht sehen kann? Nicola und ihre Trainerin Sarah Millis mussten völlig neue Methoden entwickeln. "Niemand hat das vorher gemacht", erklärt Nicola. "Alles war Versuch und Irrtum."


Die größte Herausforderung? Gerade Linien reiten, während man komplizierte Lektionen ausführt. "Bei den Einerwechseln auf der Diagonalen bewegt sich das Pferd leicht – wie soll ich wissen, ob ich noch gerade bin?"


Nicola Naylor beim Training
(Quelle: @Tilly Berendt Media / horseandhound.co.uk)

Geniale Lösung für unlösbares Problem


Sarah Millis steht bei Grand Prix-Prüfungen am Punkt X und gibt Nicola durch ihre Stimme Orientierung. Doch sobald Nicola an ihr vorbereitet, wird es schwierig. "Bei Pirouetten auf der Mittellinie – wann soll ich aufhören zu drehen?"


Überraschend leicht fallen Nicola dagegen Piaffe und Passage: "Das sind die Lektionen, für die ich die höchsten Noten bekomme!"


Heute steht fest: Nicola Naylor wird Großbritannien bei der Para-Dressur-Europameisterschaft vertreten. Nach Jahren als Reservistin darf sie endlich starten – auf Humberto L, ihrem Turnierpferd.


Doch Nicola hat noch ein zweites Ziel: Sie will weiter Grand Prix im "normalen" Dressursport reiten. "Ich werde nie international in der Vollversion starten, aber gute Scores auf regionaler Ebene zu reiten – das ist ein Erfolg."


Nicola Naylor
(Quelle: @Tilly Berendt Media / horseandhound.co.uk)

Trainerin in Tränen: "Ich war so stolz"


Trainerin Sarah Millis kann ihre Bewunderung kaum verbergen: "Sie ist erstaunlich. Man muss nur andere Wege finden, Dinge zu erklären." Als Nicola ihren ersten Grand Prix ritt, hatte Sarah "eine kleine Träne im Auge. Sie hatte es wirklich geschafft."


15 Jahre hat es gedauert. 15 Jahre von den ersten Schritten in der Dressur bis zum Grand Prix. Nicola Naylors Geschichte ist mehr als Sport – sie ist ein Manifest für alle, die glauben, ihre Träume seien unmöglich. "Für jede Tür, die sich schließt, öffnet sich eine andere", sagt sie. "Ich bin jeden Tag dankbar, dass ich das erleben durfte."


Die Botschaft, die jeden berührt


Heute kann sie sagen: "Ich hatte die wunderbarste Zeit – besonders in den letzten 15 Jahren, als die Pferde in mein Leben zurückkehrten. Das hätte ich nie gehabt, wenn ich damals aufgegeben hätte."


Eine Geschichte, die beweist: Grenzen existieren nur in unserem Kopf. Und manchmal braucht es nur den Mut, wieder aufzusteigen.

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