„Reiten wird wieder zum Luxus, zum Elitesport“: Reitställe in Schleswig-Holstein kämpfen ums Überleben
- pferdewelten
- 26. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Reiten für alle? Das war einmal! In Schleswig-Holstein droht inzwischen vielen Reiterhöfen das Aus – weil Reiten plötzlich wieder zum Luxusgut geworden ist.

Inmitten der malerischen Natur am Lanker See liegt ein Reiterhof– idyllisch, traditionsreich, beliebt. Und dennoch: Hofbesitzschleswig-holsteinerin Susanne F. bangt um ihre Existenz.
Wie ihr geht es immer mehr Pferdehöfen in Schleswig-Holstein, dem Bundesland mit der höchsten Pferdedichte. Denn der Pferdesport wird für viele Familien unbezahlbar – und damit zur Bedrohung für ganze Existenzen.
Vom Acker aufs Pony: Eine Familiengeschichte mit Zukunftsangst
Die Geschichte des Reiterhofs reicht bis in die Nachkriegszeit zurück. Erst waren die Pferde reine Arbeitstiere, dann erfüllten sie Kinderträume. Heute kämpft Susanne F. – inzwischen in dritter Generation – darum, diesen Traum am Leben zu halten.
Doch statt strahlender Kinderaugen sieht sie leer bleibende Betten in den Ferien und steigende Rechnungen auf ihrem Küchentisch.
Mindestlohn, Futterpreise, Tierarztkosten: Die Kostenspirale dreht sich
„Reiten wird wieder zum Elitesport“, sagt F. ernüchtert. Die Gründe: steigende Preise für Futter und medizinische Versorgung, hohe Energiepreise – und ein Mindestlohn, der zwar gerecht ist, aber kleine Betriebe wie ihren an den Rand bringt. 25 Helfer arbeiten auf dem Hof, viele davon auf Mindestlohnbasis.
„Wenn der Lohn auf 15 Euro steigt, weiß ich nicht mehr weiter.“
Reiten – unbezahlbar für viele Familien
Früher galt Reiten als besondere Freizeitaktivität für Kinder – heute ist es für viele Familien schlicht nicht mehr machbar. Einmal die Woche reiten? Für viele Eltern finanziell kaum noch zu stemmen.
Dabei sieht F. das Pferd als wichtigen pädagogischen Begleiter – gerade in einer Zeit, in der Kinder Halt und Bewegung mehr denn je brauchen.
Tradition mit offener Tür – und wachsenden Sorgen
Im Betrieb von Susanne F. ist die Tür zu deren Zimmer immer offen – nicht nur aus Prinzip, sondern weil sie alles hören will, alles mitbekommen muss. Die Küche ist ihr Büro, Wohnzimmer und Treffpunkt zugleich.
Doch selbst diese Nähe und Leidenschaft reichen nicht mehr, um die Kosten zu decken. Im Herbst war nur die Hälfte der Ferienbetten belegt – ein Desaster für die Jahresbilanz.
Eine Branche sucht neue Wege
Patrick Hansen vom Pferdesportverband Schleswig-Holstein bestätigt gegenüber kn-online-de: „Die Situation ist angespannt.“ Doch es gäbe auch Hoffnung.
Einige Höfe denken um – setzen auf Hobby-Horsing, Reitsimulatoren und mentale Einheiten statt klassischer Reitstunden. Der Wandel ist da – aber nicht jeder Hof kann oder will diesen Weg mitgehen.
Die große Frage nach der Zukunft
Am 1. Juli feiert Susanne F. ihr 30. Jubiläum als Hofleiterin. Und obwohl sie sich wünscht, „bis zum Umfallen“ weiterzumachen, weiß sie: Ohne wirtschaftliche Perspektive wird das nicht gehen. Sie hofft auf jemanden, der mit ihr den Hof in eine neue Zeit führt. Denn eines ist für sie klar: „Ich will bleiben. Hier gehöre ich hin.“
Reiten in Schleswig-Holstein steht an einem Scheideweg: Zwischen Tradition, Leidenschaft und Existenzkampf. Die Frage ist: Ist für das Pferd noch Platz in unserer Gesellschaft? Die stetig zunehmende Kritik am Turniersport macht die Antwort nicht eben leichter.
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